Wissenschaft in der NS-Zeit
Naheverhältnis zum Nationalsozialismus
Anhand des naturwissenschaftlich-medizinischen Bereiches nenne ich insgesamt 25 mögliche Indizien für NS-Nähe: 4 Möglichkeiten für ausdrückliche NS-Übereinstimmung sowie 21 Möglichkeiten für inhaltliche NS-Übereinstimmung.
Indizien für NS-Nähe.
In: Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte 15 (1995) 235-242.
Akademie der Wissenschaften
Ich vergleiche die Akademien im Hinblick auf: Ausschluß ihrer jüdischen Mitglieder, Befolgung des Führerprinzips, Nützen von Protestmöglichkeiten, Anteil an NSDAP-Mitgliedern, "Gleichschaltung" als Kennzeichnung ihrer Umgestaltung:
In meiner Studie über die Wiener Akademie wurden erstmals die Bestände des Akademie-Archivs ausgewertet und angeführt. Es geht um folgende Kapitel: NS-Einfluß in Fächern vor 1938? - Folgen des Anschlusses - Ausschluß von (jüdischen) Mitgliedern - Anpassung an NS-Vorgaben - Verteidiger des Präsidenten Heinrich von Srbik - Wahlen - (nachherige) Auseinandersetzung mit der NS-Zeit:Das Verhältnis der deutschen Akademien der Wissenschaften zum Nationalsozialismus.
In: Zs. für Geschichtswissenschaft (Berlin) 44 (1996) 143-147.
(Daran schloss sich eine Untersuchung desselben Themas von Herbert Matis an, allerdings mit einigen Mängeln.)Die Akademie der Wissenschaften in Wien im Dritten Reich.
In: Christoph J. Scriba (Hg.), Die Elite der Nation im Dritten Reich. Das Verhältnis von Akademien und ihrem wissenschaftlichen Umfeld zum Nationalsozialismus (Acta historica Leopoldina; 22). Halle/Saale 1995, 133-159.
Ein Rätsel der NS-Diktatur besteht darin, wie sie funktionieren konnte, obwohl die engagierten, voll überzeugten Nationalsozialisten nur eine Minderheit der Bevölkerung ausmachten. Die Antwort liegt darin, daß auch solche, die zur großen Mehrheit in der "Mitte" (zwischen Nazis und Widerständlern) gehörten, in verschiedener Weise zur Unterstützung des Systems beitrugen. Das führe ich anhand des Opportunisten Joseph Nadler, des Sympathisanten Heinrich von Srbik und des "Beamten" (= bereitwilligen Befehlsempfängers) Richard Meister näher aus:
Opportunisten, Sympathisanten und Beamte. Unterstützung des NS-Systems in der Wiener Akademie der Wissenschaften, dargestellt am Wirken Nadlers, Srbiks und Meisters.
In: Wiener Klinische Wochenschrift 110 (1998) Heft 4-5 (= Themenheft "Zum 60.Jahrestag der Vertreibung der jüdischen Kollegen aus der Wiener medizinischen Fakultät"), S.152-157.
Briefe zur NS-Zeit
Äußerlichkeiten wie der Gebrauch des Hitler-Grußes sind keine eindeutigen Hinweise, aber doch mögliche Indizien für eine bestimmte, sich darin ausdrückende Einstellung:
"Heil Hitler!" am Schluß von Briefen. Beobachtungen am Schriftverkehr der Wiener Akademie der Wissenschaften.
In: Österreich in Geschichte und Literatur 40 (1996) 125-128.
Das Archiv des Deutschen Museums von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik (München) bewahrt umfangreiche Korrespondenzen auf, u.a. die des Chemikers Hermann Staudinger, des Experimentalphysikers Walther Gerlach und des Theoretischen Physikers Arnold Sommerfeld. Diese Korrespondenzen zeigen eine starke Ichbezogenheit: Soweit das Schicksal von Juden nicht unmittelbar in das eigene Leben eingreift, wird es kaum thematisiert, obwohl in Briefen zwischen Freunden durchaus einige Offenheit beobachtbar ist:
Judenschicksal kein Thema. Briefe deutscher Naturwissenschaftler zur NS-Zeit zwischen Anteilnahme und Antisemitismus.
In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 9 (1999) 447-487.
Die Kapitelüberschriften:
Enger persönlicher Horizont
Aussagemöglichkeiten von Briefen unter einer Diktatur
Beamtengesetz April 1933: "An Deutschland verzweifeln" (Physisch oder geistig emigrierende Patrioten - Juden werden von Büchern und Zeitschriften getrennt - Gefühle von Juden gegenüber Deutschen - Leben mit den NS-Gesetzen als Tatsachen - Wirkliche oder "zufällige" Solidarität?)
Reichsbürgergesetz 1935: Mit den Folgen leben (Angefochtener Patriotismus - Arisierung und Nichtarisierung von Personen - Meiden von Juden in allen Bereichen - Das Schicksal von Juden nicht thematisiert)
Emigration nach Pogrom 1938 führt zur Absenz des antisemitischen Objektes
Schweigen über durch den David-Stern 1941 stigmatisierte Juden
Kriegsende 1945: Die Erschütterung blieb aus (Judenfreundschaft als Entnazifizierungshilfe - Die Rehabilitierung der Judengegner - Die Rehabilitierung der Juden - Judenschicksale als Bezugspunkte - "Der Kummer über die Konzentrationslager").