Dr. Franz Graf-Stuhlhofer

Evangelien als historische Texte

Historizität der Evangelien

In Bezug auf die Historizität der Evangelien vertrete ich eine konservative Position:

Auf der Suche nach dem historischen Jesus.
Über die Glaubwürdigkeit der Evangelien und die Zweifel der Skeptiker.

Leun 2013 (91 S.).

Siehe dazu das Inhaltsverzeichnis.

Überlieferung der Worte Jesu

Die Dissertation von Rainer Riesner, Jesus als Lehrer (1981, ³1988), wies auf zahlreiche Indizien hin, die für eine im wesentlichen zuverlässige Weitergabe der Worte Jesu durch seine Jünger sprechen (in der Apologetik wird dieses Thema oft unter "Glaubwürdigkeit der Evangelien" behandelt.) Seine Argumentation komprimierte ich in dem Buch:

Jesus und seine Schüler.
Wie zuverlässig wurden Jesu Worte überliefert?

Gießen 1991 (110 S., Neubearbeitung geplant).

Auch im Internet bei ge-li zu lesen.

Aus der Zusammenfassung:
"Was ergibt sich aus dem hier Dargelegten? Man könnte es durch die beiden Begriffe 'Bewahrung und Erklärung' fassen.
Bewahrung: Was der irdische Jesus sagte, wurde bewahrt (durch behältliche Formulierung, durch Auswendiglernen und durch frühes Niederschreiben).
Erklärung: Das solcherart Bewahrte wird erklärt, d.h. übersetzt (vom Aramäischen ins Griechische, interpretiert, mit erläuternden Zusätzen versehen." (S.108)

(Siehe einen Auszug aus einer Rezension in der Zs. Bausteine.)

Die vier Evangelien enthalten Reden und Aussprüche von Jesus im Umfang von etwa 3 Stunden – das ist eigentlich wenig im Hinblick auf die Aufgabe, sich das von Jesus Gesagte einzuprägen. Siehe dazu mein Kapitel Drei Stunden Jesus-Reden.

Ist es wichtig, ob die Evangelien historisch zu verstehen sind?

Die Bedeutung der Frage nach der Historizität der Evangelienberichte wird mitunter heruntergespielt, mit folgender Behauptung: Was Jesus (historisch) tat, sei weniger wichtig, verglichen mit dem, was er (aktuell) tut. Dass die historische Frage aber sehr wichtig ist, zeige ich in:

Welche Folgen hat die Skepsis gegenüber den Berichten über Jesus?
In: Jahrbuch für evangelikale Theologie 7 (1993) 29-32.

Es handelt sich um 8 Folgen:
1. Das Unterscheiden zwischen den historisch gemeinten und den gleichnishaft gemeinten neutestamentlichen Wunderberichten ist schwierig
2. Ermutigung durch den Hinweis auf wirkliche Beispiele fällt weg
3. Evangeliumsdarlegung ist erschwert, wenn sich im Zusammenhang mit Jesus nur wenig Geschichtliches anführen lässt
4. Eine Entscheidung für die Jesus-Nachfolge gleicht einem blinden Sprung
5. Christsein spielt sich auf der Gedanken-Ebene ab, wenn die Evangelien bloß den Glauben an Mögliches (aber kaum wirklich Geschehenes) bezeugen
6. Die Botschaft Jesu verschiebt sich aufgrund vieler ihm abgesprochener Aussagen
7. Unser Wirklichkeits- und Wahrheitsverständnis verändert sich durch das entsprechende Vorbild der Evangelisten
8. Unser Jesus-Bild verändert sich, wenn er sich selbst nicht als Messias erkannte

3-Quellen-These als Lösungsversuch für synoptisches Problem

Die synoptische Frage wird oft durch den Rückschluss auf umfangreiche vorsynoptische Quellen beantwortet. Das wichtigste Argument dafür ist die bei den Synoptikern zu findende gemeinsame Reihenfolge. Diese zeigt jedoch mehrere Bruchstellen, an denen zwei Synoptiker gleichzeitig diese gemeinsame Reihenfolge verlassen. Durch solche markante Bruchstellen ergibt sich ein Rückschluss auf insgesamt drei allen drei Synoptikern gemeinsame Quellen, also auf umfangreiche Sammlungen. Man könnte diese folgendermaßen benennen: Galiläa-Quelle (entspricht Markus 1,1-9,48), Judäa-Quelle (Mk 10,1-13,32) und Stauros-Quelle (Mk 14,1-16,8). Näher erläutert im folgenden Artikel (in dem ich allerdings noch mit 4 Quellen rechnete):

Die Bruchstellen der gemeinsamen Perikopen-Reihenfolge als Indiz für vier den Synoptikern gemeinsame Quellen.
In: European Journal of Theology 9 (2000) 117-129.